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Skandal - Leonberger Verwaltung brüskiert die Bürgerschaft
Gemeinderat unter Druck - OB holt alte Pläne wieder aus der Schublade


Mit großem Erstaunen und Empörung haben wir die Ergebnisse der nicht öffentlichen Sit-zung des Gemeinderates vom 19.6.00 zur Kenntnis genommen.Der von der Verwaltung vorgelegte Beschlußvorschlag für die Gemeinderatssitzung am 25.7.00 folgt in allen wesentlichen Teilen den Empfehlungen des vom Ingenieurbüro Dr. Brenner und Münnich Anfang des Jahres vorgelegten Entwurfs eines Verkehrsentwicklungsplans. Die Ergebnisse der zum Verkehrsentwicklungsplans durchgeführten Bürgerbeteiligung werden dagegen ignoriert. In altbekannter Manier werden die Leonberger Bürger und der Gemeinderat wieder einmal mit Maßnahmen und Aussagen überfallartig konfrontiert und zeitlich unter Druck gesetzt. Die mit großem Engagement unter hohem Zeitdruck und unter Einsatz hoher finanzieller Mittel der Stadt von der Bürgerbeteiligung erarbeiteten Konzepte landen dagegen im Papierkorb der Verwaltung. Dies ist ein Schlag ins Gesicht aller 200 Bürger, die an dieser Bürgerbeteiligung teilgenommen haben.

Neue gutachterliche Aussagen - Computermodelle statt Konzept

Noch unverständlicher wird das Verhalten der Verwaltung, wenn man den Beschlußvor-schlag und seine Anlagen näher betrachtet. Die als Anlage beigefügte gutachterliche Anlage beschränkt sich leider nahezu ausschließlich auf die Darstellung von verschiedensten, teil-weise völlig irrelevanten Netzfall-Berechnungen für den Individualverkehr. Geradezu grotesk sind die Bemühungen des Verkehrsplaners, die Vorschläge der Bürgerbeteiligung zur Ver-kehrsberuhigung in der Innenstadt in ein dafür (nicht) passendes Computermodell zu pressen.
Die vielfältigen anderen Aspekte, die für ein vernünftiges Verkehrskonzept in Leonberg von Bedeutung sind, wie z.B. Fußgänger und Radverkehr, der Öffentliche Personennahverkehr sowie echte konzeptionelle Ansätze für den Individualverkehr sind nur zum Teil vorhanden. Dagegen haben die verschiedenen Arbeitsgruppen der Bürgerbeteiligung eine konzeptio-nelle Gesamtbetrachtung durchgeführt, welche inzwischen in der Öffentlichkeit große Be-achtung erfahren hat. Besonders zu erwähnen ist das Ringkonzept, welches die Gruppen Motorisierter Individualverkehr erarbeitet haben.

Trotz dieser Einengung der Betrachtungsweise bestätigt das Papier des Gutachters im Grundsatz die Aussagen des Ringkonzepts.Bei allen Vorbehalten der Aussagekraft von Verkehrsmodellen gegenüber erweist sich das Ringkonzept als verkehrlich sehr effizient, vor allem wenn man die dazugehörige Verkehrsberuhigung in der Innenstadt mit einer vernünftigen Einschätzung berücksichtigt.

Innerörtliche Durchgangsstraße statt Umgehung im Nordwesten - Konzepte der 60er Jahre für das neue Jahrtausend

Völlig unverständlich ist daher die Schlußfolgerung der Verwaltung, daß die sogenannte Nordwest-Tangente die bessere Lösung sei.Jede andere Stadt vermeidet innerörtliche Bündelungstraßen als überholtes Konzept der 60er Jahre. Vernünftige Städte bauen - wenn überhaupt - Umgehungsstraßen. Nur Leonberg hat dies noch nicht gemerkt. Leonberg soll die sogenannte Nordwest-Tangente bekommen, eine nordwestliche Umgehung soll nicht mehr weiterverfolgt werden. Die angeführten Argumente sind widersprüchlich, stellen Behauptungen ohne stichhaltige Begründungen in den Raum und gehen auf wichtige andere Beurteilungskriterien nicht ein - kurz: Die Argumente sind nicht nachvollziehbar.

Nicht existentes Wohngebiet wird geschützt - bestehendes unerträglich belastet

Geradezu zynisch ist das Argument, die Siedlungsentwicklung im Gebiet Hasensaul würde durch die Nordwest-Umfahrung erheblich beeinträchtigt. Abgesehen davon, daß jede plane-rische Freiheit besteht, solche Beeinträchtigungen von vornherein zu vermeiden, ist festzustellen, daß für ein Gebiet, für das es noch nicht einmal einen Bebauungsplan gibt und wo noch nicht ein einziges Haus steht, Beeinträchtigungen bereits berücksichtigt werden, unerträgliche Belastungen alter gewachsener Stadtteile wie z.B. der Gartenstadt dagegen jedoch überhaupt keine Rolle spielen. Da liegt der schlimme Verdacht nahe, daß wieder einmal finanzielle Interessen einzelner wichtiger sind als die Interessen ganzer Stadtteile. Im übrigen ist die Erschließung dieses potentiellen Siedlungsgebiets einschließlich Krankenhaus über eine Nordwest-Umfahrung sinnvoller als über die Rutesheimer-Straße.

Natur- und Landschaft - nur ein Argument, wenn es in den Kram passt

Eingriffe in Natur und Landschaft gibt es sowohl bei der sogenannten Nordwest-Tangente als auch bei einer nordwestlichen Umfahrung. Immerhin verläuft die sogenannte Nordwest-Tangente entlang des für Leonberg insgesamt wichtigsten Grünzugs und Frischluftschneise Glemstal. Gerade die Beeinträchtigung von Frischluftschneisen ist bei Planfeststellungsver-fahren ein wichtiges Kriterium. Die Behauptung, die Nordwest-Umfahrung sei aus Natur-schutzgründen nicht planfeststellbar ist fadenscheinig und widersprüchlich und zum jetzigen Planungszeitraum seriös noch gar nicht zu machen. Konsequenterweise würde dann z.B. auch das Siedlungsgebiet Hasensaul nicht geplant werden dürfen. Auch der Westanschluß dürfte dann nicht planfeststellbar sein. Im Gegensatz zu jeder denkbaren Variante der einer nordwestlichen Umfahrung wird z.B. durch den Westanschluß ein ganzes Landschaftsschutzgebiet zerstört.In der Vorlage ist davon nicht ein einziges Wort erwähnt. Der Gutachter selbst hat in seiner Machbarkeitsstudie vom September letzten Jahres Trassenvarianten vorgeschlagen, welche Landschaftsschutzgebiete kaum berühren. Wenn man dann noch bereit ist, genausoviel Geld auszugeben wie für die sogenannte Nordwest-Tangente, kann man eine Lösung finden, welche z.B. vom Krankenhaus bis zum Anschluß an die B295 vollständig in einem Tunnel verläuft und somit nicht mehr Landschaft verbraucht als die sogenannte Nordwest-Tangente. Vor diesem Hintergrund wird wieder einmal deutlich, daß das sicherlich ernst zu nehmenden Argument des Naturschutzes nur dann angewandt wird, wenn es gerade in den Kram passt. Den Naturschutzverbänden sollte dieses rein taktische Spiel der Verwaltung eine Lehre sein.

Verkehrliche Wirksamkeit - bewußte Manipulation oder Täuschung ?

Die angebliche bessere Entlastungswirkung der sogenannten Nordwest-Tangente ist -wenn überhaupt- nur dann vorhanden, wenn man die sogenannte Nordwest-Tangente selbst und ihre negativen Auswirkungen auf die Zubringerstraßen als Belastungsfaktor wegläßt. Auf dieser Basis sind leider alle Darstellungen und Einschätzungen des Gutachters erfolgt. Selbst dann sind die Unterschiede gegenüber einer Nordwest-Umfahrung vergleichsweise gering. Generell ist die Betrachtung der Belastungswirkung fachlich mangelhaft. So fehlen z.B. fundierte Emissions- und Immissionsprognosen völlig. Es ist festzuhalten:

Die sogenannte Nordwest-Tangente ist eine innerstädtische Straße - keine Tangente oder Umgehungstraße.

Sie belastet wegen ihres eigenen hohen Verkehrsaufkommens und des starken Zubringer-verkehrs die nordwestlichen Stadtteile unerträglich. Dies in einem Gutachten einfach zu igno-rieren, ist zumindest ein schwerwiegender methodischer Fehler, eher jedoch eine bewußte Manipulation und Täuschung der Öffentlichkeit. (Vielleicht liegt darin der Grund, daß der Gutachter eine weitere Beteiligung an dem Planungsverfahren ablehnt - so sicher scheint er seiner Sache doch nicht zu sein).

Nordwest-Tangente als Bestandteil einer Ringlösung - unerträgliche Verdrehung der Ziele der Bürgerbeteiligung

Unerträglich ist die Behauptung in der Beschlußvorlage, daß mit der Nordwest-Tangente auch eine Ringlösung im Sinne der Bürgerbeteiligung machbar wäre. Dies ist eine bewußte Verdrehung der Tatsachen und geradezu eine Verhöhnung des von der Bürgerbeteiligung vorgelegten Konzepts. Diese Behauptung zeigt, daß die Verwaltung entweder das Konzept der Bürgerbeteiligung nicht verstanden hat oder -was wir nicht hoffen- den Gemeinderat und die Bürgerschaft täuschen will. Die Bürgerbeteiligung hat klar geäußert, daß eine Bünde-lungsstraße außerhalb von Wohngebieten zu führen ist. Nur mit einer nordwestlichen Umfah-rung der Stadt ist eine Ringlösung im Sinne der Ziele der Bürgerbeteiligung sinnvoll. Die sogenannte Nordwest-Tangente widerspricht den Zielen der Bürgerbeteiligung und macht die Ringlösung unmöglich. Wir fordern die Verwaltung auf, den Bezug zur Bürgerbeteiligung in der Vorlage herauszunehmen.

Mißachtung der Bürgerbeteiligung - nahezu einstimmige Ablehnung der sogenannten Nordwest-Tangente

Es gibt sehr viele weitere Argumente gegen eine sogenannte Nordwest-Tangente. Die Bür-gerbeteiligung hat dies erkannt und hat daher mit überwältigender Mehrheit die soge-nannte Nordwest-Tangente abgelehnt. Die Argumente sind öffentlich mehrfach von vielen Seiten geäußert aber nie ernsthaft öffentlich diskutiert worden. Selbst ein Austausch zwi-schen dem Gutachter und der Bürgerbeteiligung ist nie zustande gekommen.

Geld spielt offensichtlich in Leonberg keine Rolle - man hat es wohl reichlich

Die Beschlußvorlage der Verwaltung enthält keinen Hinweis auf die finanziellen Auswirkun-gen. Insbesondere gibt es keine Kosten-Nutzen-Betrachtung der verschiedenen Varianten. Bei jedem kleinen Vorhaben, welches dem Gemeinderat zur Beschlußfassung vorgelegt wird, müssen die finanziellen Auswirkungen der verschiedenen Varianten aufgezeigt werden. Ausgerechnet bei einem Vorhaben mit dieser Tragweite ist dies nicht der Fall. Der Grund ist klar: Die Nordwest-Tangente ist die mit Abstand teuerste Lösung. Der Beschlußvorschlag ist somit unvollständig und nicht entscheidungsfähig. Er müßte schon aus diesem Grund abgelehnt werden.

Schlußfolgerungen

Man muß den Eindruck gewinnen, daß die Verwaltung und der Gutachter die Diskussion mit den Bürgern scheut. Dafür spricht auch die zunehmende Geheimniskrämerei bei Gemeinde-rats- und Ausschußsitzungen. Diese wird inzwischen so übertrieben, daß die Gemeindeord-nung verletzt wird.
Die Bürgerbeteiligung hat sich mit großer Anstrengung und sehr mühsam auf vernünftige Kompromisse geeinigt, die nachweislich realisierbar und für alle Stadtteile und Bürger trag-fähig sind. Die Verwaltung gefährdet diesen Konsens, spaltet die Bürgerschaft und ist somit verantwortlich für alle Konsequenzen, wenn die mühsam zugeschütteten Gräben wieder auf-brechen.
Vor diesem Hintergrund bitten wir den Gemeinderat, die Vorlage der Verwaltung abzulehnen und stattdessen die Vorschläge der Bürgerbeteiligung aufzugreifen und zügig umzusetzen.

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